9 III 1917, Kiew — 1944, KL Plaszow (Krakau)

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Biographie

Dichterin, schrieb nach eigener Entscheidung auf Polnisch. Sie debütierte bereits im Alter von 14 Jahren und wurde sofort eine wichtige Figur im polnischen literarischen Leben.

Als Sara Polina Gincburg kam sie 1917 in Kiew zur Welt. Sie wuchs in Riwne in Wolhynien in einer bürgerlichen russischsprachigen Familie auf. Sie besuchte ein polnischsprachiges Gymnasium, das sie sich selbst ausgesucht hatte. Fasziniert war sie von der Poesie von Julian Tuwim sowie Bolesław Leśmian. Sie debütierte bereits im Gymnasium (1931) mit dem Werk Ferienfestmahl, das in einer Schülerzeitung veröffentlicht wurde. Drei Jahre später wurde ihr Gedicht Gramatyka [Grammatik] beim Turnier der Jungen Poeten ausgezeichnet, das von den „Wiadomości Literackie”, einer wichtigen gesellschaftlichen und kulturellen Wochenzeitschrift, die in Warschau erschien, ausgeschrieben wurde. Ab 1936 arbeitete sie mit der satirischen Wochenzeitung „Szpilki“ [dt. etwa: Nadeln; hohe Absätze] zusammen. Im gleichen Jahr gab sie ihren einzigen Gedichtband O centaurach [Über Zentauren] heraus.

Die Jugendgedichte von Zuzanna waren sehr sinnlich, sensuell, bezogen sich auf die Physiologie und die Biologie. Man kann sie als eine Art der Auflehnung gegen den bürgerlichen Lebensstil interpretieren. Die Dichterin griff in ihrem schöpferischen Werk auf Mythen und Traditionen zurück, u.a. des Fernen Ostens, der altgermanischen Kultur, der Mittelmeer-Kultur sowie der jüdischen Kultur.

Die ersten Kriegsjahre verbrachte sie in Lemberg. Wegen ihres typisch semitischen Aussehens musste sie ihre Abstammung verschleiern und sich verstecken. Gehetzt und denunziert von Frau Chominowa, der Hausmeisterin des Hauses, in dem sie wohnte, entschied sich die Dichterin zur Flucht. Sie kam nach Krakau, Frau Chominowa hingegen wurde von Zuzanna im Gedicht Non omnis moriar verewigt. In Krakau wurde die Dichterin von der Gestapo verhaftet. Im Jahr 1944 wurde sie im KL Płaszów erschossen.

 

Dichterin, schrieb nach eigener Entscheidung auf Polnisch. Sie debütierte bereits im Alter von 14 Jahren und wurde sofort eine wichtige Figur im polnischen literarischen Leben.

Als Sara Polina Gincburg kam sie 1917 in Kiew zur Welt. Sie wuchs in Riwne in Wolhynien in einer bürgerlichen russischsprachigen Familie auf. Sie besuchte ein polnischsprachiges Gymnasium, das sie sich selbst ausgesucht hatte. Fasziniert war sie von der Poesie von Julian Tuwim sowie Bolesław Leśmian. Sie debütierte bereits im Gymnasium (1931) mit dem Werk Ferienfestmahl, das in einer Schülerzeitung veröffentlicht wurde. Drei Jahre später wurde ihr Gedicht Gramatyka [Grammatik] beim Turnier der Jungen Poeten ausgezeichnet, das von den „Wiadomości Literackie”, einer wichtigen gesellschaftlichen und kulturellen Wochenzeitschrift, die in Warschau erschien, ausgeschrieben wurde. Ab 1936 arbeitete sie mit der satirischen Wochenzeitung „Szpilki“ [dt. etwa: Nadeln; hohe Absätze] zusammen. Im gleichen Jahr gab sie ihren einzigen Gedichtband O centaurach [Über Zentauren] heraus.

Die Jugendgedichte von Zuzanna waren sehr sinnlich, sensuell, bezogen sich auf die Physiologie und die Biologie. Man kann sie als eine Art der Auflehnung gegen den bürgerlichen Lebensstil interpretieren. Die Dichterin griff in ihrem schöpferischen Werk auf Mythen und Traditionen zurück, u.a. des Fernen Ostens, der altgermanischen Kultur, der Mittelmeer-Kultur sowie der jüdischen Kultur.

Die ersten Kriegsjahre verbrachte sie in Lemberg. Wegen ihres typisch semitischen Aussehens musste sie ihre Abstammung verschleiern und sich verstecken. Gehetzt und denunziert von Frau Chominowa, der Hausmeisterin des Hauses, in dem sie wohnte, entschied sich die Dichterin zur Flucht. Sie kam nach Krakau, Frau Chominowa hingegen wurde von Zuzanna im Gedicht Non omnis moriar verewigt. In Krakau wurde die Dichterin von der Gestapo verhaftet. Im Jahr 1944 wurde sie im KL Płaszów erschossen.

 


Non omnis moriar

Gesang: Anna Błaut
Aufnahme von einem Konzert am Eröffnung der restaurierten Mikve und Keller der Synagoge zum Weißen Storch in Breslau, 13.10.2018.
Aus dem Polnischen ins Deutsche: Bernhard Hofstötter und Hanna Kubiak. In: Z. Ginczanka, Von Zentauren und weitere ausgewählte Gedichte, Tredition GmbH, Hamburg 2021.

Non omnis moriar – meine stolzen Güter,
Tischdeckenwiesen, Festungen standhafter Schränke,
die Weiten der Bettlaken, sehr kostbares Bettzeug
und Kleider, helle Kleider bleiben von mir zurück.
Ich habe hier keinen Abkömmling hinterlassen,
so soll deine Hand in jüdischen Dingen wühlen,
Chominowa,  aus Lwów, eines tücht’gen Spitzels Frau,
Denunziantin flink, eines Volksdeutschen Mutter.
Dir, den Deinen lass sie dienen, denn wozu Fremden?
Ihr Meinen – das ist keine Laute, kein eitler Nam’.
Ich werde an euch denken, denn als die Schupo kam,
habt ihr auch an mich gedacht. Sie an mich erinnert.
Lass meine lieben Freunde beim Zechen nur sitzen
und mein Begräbnis und eig‘nen Reichtum begießen:
Kelims und Wandteppiche, Schüsseln und auch Leuchter –
Lass sie die ganze Nacht trinken und im Morgenrot
nach Edelsteinen und Gold zu suchen beginnen
in Kanapees, Matratzen, Bettdecken, Teppichen.
O, wie ihnen das Werk in den Händen brennen wird,
ein Durcheinander von Rosshaaren und Meeresgras,
Schwaden aufgeschlitzter Kissen, Wolken von Daunen
an ihren Händen haftend, statt Armen jetzt Flügel;
mein Blut ist es, das Werg mit frischen Daunen verklebt
und die Beflügelten jäh in Engel verwandelt. 


Verrat („Zdrada”)

Musik: Katarzyna Sałapa
Aufnahme von einem Konzert von Nocą Umówieni + Airis String Quartet in der Synagoge zum Weißen Storch in Breslau.
Aus dem Polnischen ins Deutsche: Bernhard Hofstötter und Hanna Kubiak. In: Z. Ginczanka, Von Zentauren und weitere ausgewählte Gedichte, Tredition GmbH, Hamburg 2021.

Beschränken kann mich niemand.
Die Sünde von Wildleder und Fledermäusen
häng auf Speichern der Angst mit halbem Mausekopf nach unten –
In der Abenddämmerung werde ich mich aus dem
Turm schleichen, dem befestigten Turm entfliehen,
die Bisse stehender Wespen hindurch,
einen Stacheldraht aus vergifteten Kräutern hindurch –

Schwer entstehen aus Schutthaufen die prägenden Felsgipfel der Gebote
die zwanzig Höllen der Veden,
Flammen,
Heulen
und Sausen,
eine fanatische Nacht droht, sie werde Stein mit Sternen versteinern,
ich verde mit Quecksilber aus den Fingern schlüpfen.
Beschränken kann mich nichts.

Du verwandelst dich in einem Wolf, ich in eine Bachstelze –
du in einen Adler, ich in ein verschlungenes Flittchen –  –
durch rätselhafte Eingabe komme ich jeder deiner
Verfolgungen zuvor.

Klarstellung am Rande
Aus dem Polnischen ins Deutsche: Bernhard Hofstötter und Hanna Kubiak. Z. Ginczanka, Von Zentauren und weitere ausgewählte Gedichte, Tredition GmbH, Hamburg 2021.

Ich bin nicht entstanden
aus Staub,
ich werde nicht zurückkehren
zu Staub.
Ich bin nicht herabgestiegen
vom Himmel
und werde nicht in den Himmel zurückkehren.
Ich selbst bin Himmel
sowie gläserne Decke.
Ich selbst bin Erde
sowie fruchtbarer Boden.
Ich bin nicht geflohen
von nirgendwo
und werde nicht zurückkehren,
dorthin.
Außer mir selbst kenne ich keine andere Ferne.
In vom Wind aufgeblähten Lungen
und in verkalktem Gestein
muss ich
mich
hier
zergliedert
finden.

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